ein volk, ein staat, eine verpackung – von RALF SOTSCHECK


Vorige Woche war an dieser Stelle die Rede von der Polizei in der englischen Grafschaft Essex, die Jagd auf rauchende Dienstwagenfahrer macht, denn das Rauchen ist in Firmenautos verboten. Am Mittwoch, dem britischen Nichtrauchertag, ist die Regierungskoalition aus Tories und Liberalen Demokraten noch einen Schritt weiter gegangen: Ab April nächsten Jahres dürfen Zigaretten in Supermärkten nicht mehr sichtbar sein. Ziel ist es, die Raucher zu verwirren, so dass sie ratlos in den Geschäften herumstehen und vergessen, was sie eigentlich kaufen wollten. Darüber hinaus berät eine Expertenkommission, ob Großbritannien als erstes europäisches Land die Einheitsschachtel einführen soll - weiße Päckchen ohne Logo. Das leuchtet auf den ersten Blick nicht ein, wenn Zigaretten in den Läden ohnehin unsichtbar werden sollen.

 

Doch die Einheitskippen sind lediglich ein Testballon, die Regierung hat noch ganz andere Sachen vor. Im Juni, am nationalen zuckerfreien Tag, will sie ein weiteres Gesetz verabschieden: Schokoriegel dürfen ab dann nur noch in neutraler giftgrüner Verpackung verkauft werden. Dabei ist berücksichtigt worden, dass gewiefte Riegelexperten das Produkt ertasten könnten - das zweigeteilte Bounty zum Beispiel ist kinderleicht zu identifizieren. Deshalb darf auf den Regalen der Supermärkte lediglich eine leere grüne Hülle ausgelegt werden. Die eigentliche Ware wird unter dem Ladentisch in einer großen Kiste aufbewahrt. Es ist dann Glückssache, welchen Schokoriegel man erwischt. Das Londoner Gesundheitsministerium hat angeordnet, dass der Anteil der Müsliriegel mindestens 31 Prozent betragen muss.

 

Später sollen auch Kartoffelchips, Kekse, Frühstücksflocken und andere Produkte Einheitsverpackungen bekommen. Einige Supermärkte haben bereits begonnen, ihre Filialen umzubauen. Die Verkaufsflächen werden auf ein Regal reduziert, auf dem jeweils ein Exemplar der Einheitspäckchen ausgestellt wird, während der Kassenbereich um das Zehnfache erweitert wird, damit die Bückware Platz hat.

 

Aber es gibt viel weiter reichende Pläne. Im September, zum nationalen Mineralwassertag, werden die Zapfhähne aus britischen Wirtshäusern verbannt - bis auf einen einzigen tarnfarbenen, von dem ein Schlauch in den Keller führt. Dort wird er an einen Computer angeschlossen, von dem wiederum Schläuche zu einem Dutzend Bierfässer führen. Der Computer legt nach dem Zufallsprinzip fest, welches Bier oben aus dem Zapfhahn fließt. Das Gesetz schreibt vor, dass jedes vierte Bier alkoholfrei sein muss.

 

Diese Maßnahmen dienen dem Wohle der Nation. Eine Bestrafung durch die gegängelte Bevölkerung muss die Regierungskoalition nicht befürchten. WikiLeaks hat enthüllt, dass bei den Parlamentswahlen in vier Jahren weiße Blätter als Stimmzettel verteilt werden. Die Wählerinnen und Wähler dürfen auf diesem Blatt ein Kreuzchen machen, wo es ihnen beliebt. Eine Regierungskommission interpretiert dann, welchen Kandidaten das Stimmvieh mit dem Kreuzchen gemeint hat.

 

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