in windeseile durch die grüne insel – von RALF SOTSCHECK


So kann man die Verkehrsprobleme natürlich auch lösen: Die irische Regierung hat offenbar beschlossen, die Autofahrer in den Tod zu schicken – und den Nachwuchs gleich dazu. Seit Mittwoch gilt bei den Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Grünen Insel das metrische System. Die Meile, rund 1,6 Kilometer, ist über Nacht ausgestorben. Statt dessen gibt es neue Schilder mit dem Zusatz „km/h“.

Und es gibt viele davon. 35.000 Stück wurden ersetzt, und weil man schon mal dabei war, hat man 23.000 zusätzliche Schilder aufgestellt. Die Umstellung kostet neun Millionen Euro. Hat der Schwager eines Ministers eine Schilderfabrik? Für die Informationskampagne, die den Autofahrern den Unterschied zwischen Meilen und Kilometern beibringen soll, sind weitere 2,5 Millionen Euro fällig. Das Geld hätte man besser in Schulungskurse für die Verkehrsplaner investiert. Die haben nämlich einen närrischen Schilderwald produziert.

Die Verkehrsregeln besagen, dass man auf kleinen Landstraßen 80 km/h fahren darf – es sei denn, die Schilder behaupten etwas anderes. Und sie behaupten in vielen Landesteilen etwas anderes. In der Grafschaft Clare im Westen darf man die Küstenstraße mit 100 Sachen entlangrasen, was selbst für Michael Schumacher schwierig wäre. In der Ortschaft Kilshanny muss man seine Geschwindigkeit keineswegs drosseln, mitten im Ort wird man durch ein 100 km/h-Schild zur flotten Durchfahrt aufgefordert.

In New Quay, ebenfalls in Clare, gibt es eine Grundschule. Auf der Straße ist mit weißer Farbe das Wort „Slow“ aufgemalt, denn die Iren sind kein visuelles Volk. Kurz danach steht „Slower“ auf der Straße. Um ganz sicher zu gehen, gibt es ein gelbes Warnblinklicht, das zum Schulschluss eingeschaltet wird. Direkt daneben steht nun ein Geschwindigkeitsschild: 100 km/h. Das ist kein Einzelfall, es gibt viele Schulen im Land, an denen man in Windeseile vorbeifahren darf. Die Knirpse sollten schleunigst Sprints üben, damit sie eine Chance haben, auf die andere Straßenseite zu gelangen. Vielleicht findet sich unter denen, die ihre Schulzeit überleben, später mal ein Olympiasieger im 100-Meter-Lauf.

In Dublin darf man auf der kleinen Straße zum Cruagh-Friedhof 80 fahren, in der Gegenrichtung aber nur 50. Das ist konsequent: Die Regierung hat es eben eilig, die Leute unter die Erde zu bringen. Ein Bauer aus den Midlands befürchtet das auch. „An der Einfahrt zu meinem Hof stand bisher ein Warnschild“, beklagte er sich bei einem Radiosender. „Jetzt dürfen die Autos mit 100 vorbeihuschen. Ich muss jedesmal meine Frau zum Spähen vorausschicken, wenn ich vom Hof fahren will, weil die Straße ziemlich unübersichtlich ist.“ Er hat sich bereits danach erkundigt, ob man eine gesamte Regierung für unzurechnungsfähig erklären lassen kann.

Die Automobilclubs glauben, dass ihre Mitglieder genauso dämlich sind wie die Verantwortlichen für die Schilder. Manche könnten annehmen, dass die neuen Schilder die Geschwindigkeit noch immer in Meilen angeben, sagte ein Sprecher der Autolobby. Die Fahrer, die die Küstenstraße mit 160 km/h entlangsausen, landen unweigerlich im Atlantik. Vielleicht sind wenigstens ein paar Verkehrsplaner darunter.

 

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